Back in the days when I was a teenager – SpVgg Potsdam 42 e.V.

Um die Wartezeit auf die neue, speaktakuläre Zound Zero Single “Back in the days” zu verkürzen, an dieser Stelle und in loser Folge eine sachkundige Analyse, warum Dirk Nowitzki im Moment der einzige Deutsche in der NBA ist und ich nicht bei den Seattle Sonics auflaufe. Teil 1 und Teil 2 beschrieben die vergeblichen Versuche im organisierten Jugendfußball Fuß zu fassen und den triumphialen Gewinn eines Converse Pullovers beim Streetball.

Ende der 12. Klasse beschlossen Knopper, Gazza und ich auf dem Mattenwagen in der Schulturnhalle, dass jetzt gefälligst endlich ein eigener Basketballklub hermüsse. Wir hatten halbherzig versucht bei den beiden städtischen Vereinen USV und OSC Fuß zu fassen und stellten fest, dass der Trainingsbetrieb nicht unseren Wünsche entsprach. Da gab es deutlich zu viel Erwärmung. Wir sprachen mit irgendeinem ominösen Fuzzi vom Polizeisportverein über die Gründung einer Basketballabteilung. Er deutete aber bei einer Limo im Klosterkeller an, dass er in den nächsten fünf Jahren den Aufstieg in die Bundesliga erwartete. Das konnten wir ihm leider nicht garantieren und ich war auch ganz froh, da ich mich noch in meiner autonomen Phase befand und mich nicht mit der Vorstellung anfreunden konnte, in einem Polizeisportverein Bälle in einen Korb zu werfen.

Deshalb gründeten wir die SpvGG Potsdam 42 e.V. und machten alles selbst, Satzung abschreiben, mit 7 Männeken Verein gründen, zum Notar rennen, Gemeinnützigkeit beantragen, Hallenzeiten beantragen, dem Brandenburgischen Basketball Verband und dem DBB beitreten. Den ganzen bürokratischen Quatsch halt, der junge enthusiastische Sportler vom Eintritt in den organisierten Ligabetrieb abhalten soll. Der Name SpVgg wurde gewählt, um Lokalredakteure und Kampfgerichte, die die Abkürzung nicht kannten, zum Aussprechen des phonetischen Ungetüms SchpFfeGG zu bringen. Die 42 … Naja. Douglas Adams halt. Nach Aufforderung konnten wir aber auch andere Geschichten zur Herkunft der Zahl erzählen.

Zur Saison 1996/97 starteten wir dann im Landespokal und der untersten Klassen in Brandenburg, der Bezirksliga. Für einen Sieg gab es eine rosa, für eine Niederlage eine gelbe Kopie des Spielberichtes, der je nach Kampfgericht mal sehr liebreizend, mal sehr schlampig ausgefüllt war.

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Auf dem abgebildeten Exemplar erkennt man, dass ich persönlich in dieser Begegnung 4 Fouls kassierte, was so ungefähr meinem Schnitt entsprach. Allerdings verwandelte ich in der letzten Minute eiskalt zwei von zwei Freiwürfen und wir gewannen das Spiel durch einen Dreier Sekunden vor Schluss. Wir waren ziemliche Exoten in der Liga. Fangen wir mal mit unseremTeam an: Wir hatten einen “Star”, das war Thomas, der war echt gut. Dann gab es zwei Typen, die man mit viel gutem Willen als Center einsetzen konnte. Das heißt die waren 1,90 groß und wogen ein bißchen mehr als 70 Kilo. Weiterhin uns 5 Dreizehntklässler, bis auf Alex allesamt Hänflinge. Knopper erzählt zwar immer, er ist 1,90 groß, er wog damals aber nur 60 Kilo und konnte nicht zur Abschreckung gegen unsere Gegner, gestählt in den Fitnessstudios des Landkreises Potsdam-Mittelmark, eingesetzt werden. Außerdem wirkte Bruderherz mokko mit – da er damals zarte 14 alt war, musste ich für 10 Mark eine Ausnahmegenehmigung kaufen, damit er mittun durfte. Genauer betrachtet also 5 Aufbauspieler, zwei Shooting Guards und 2 Small Forwards. Physische Dominanz war das nicht.

Wir besaßen schicke schwarze Trikots und eine sehr eigenwillige Spielweise. Ich trug die Nummer 6. Eigentlich wollte ich die 3, aber diese Nummer ist ja leider im europäischen Basketball nicht erlaubt. Najaegal.

In grenzenloser romantischer Verklärung der Vergangheit und unter Missachtung meiner Fähigkeit zur realistischen Einschätzung unserer Fähigkeiten heroisiere ich jetzt unser einzigartiges und kreatives Spielsystem. Dieses bestand aus genau keinem festgelegtem Spielzug – wir trainierten nämlich nie, sondern spielten nur. Dafür aber aus bedingungslosem Einsatz, psychologischer Kriegsführung und viel jugendlicher Naivität. Mein persönliches Idol war Kurt Rambis, das war der Tüp, der als einer der wenigen Weißen im Team der Lakers von Magic Johnson Schleifspuren aus Schweiß aufs Parkett zauberte und für diese Drecksarbeit von Magic bestimmt 28 Ferraris geschenkt bekam. Gazza hatte sämtliche Bücher von und mit Phil Jackson und sämtliche Werke über Zen Buddismus auswendig gelernt. Und Knopper hatte für Notfälle immer einen Kaugummi für verschiedene Gelegenheiten dabei und war abwechselnd Scottie Pippen und Michael Jordan.

Es ging also immer Samstags oder Sonntags in eine Provinzhalle um einen Doppelspieltag abzufeiern. Die derbste Klatsche kam gleich zu Beginn als wir in der ersten Pokalrunde mit 33:147 untergingen. Das lag unter anderem daran, dass der Gegner zwei Klassen höher spielte, wir nur mit 6 Mann antraten und ausgerechnet die beiden größten Leute zu Beginn der zweiten Halbzeit wegen Meckerei in Richtung Kampfgericht mit technischen Fouls vom Platz flogen – wir uns also zu viert noch zwanzig Minuten der Bernauer Dampfwalze gegenüber sahen.

Ich finde es im Rückblick sehr erstaunlich, welche Emotionalität und Aggressivität ich Sonntags morgen um 10 an den Tag legen konnte. Normalerweise schläft man schließlich um diese Uhrzeit noch. Aber sobald ein Schiedsrichter den Ball hochwarf, rannten wir wie blöd über den Platz. Dabei gab es folgende Aufgabenverteilung:

Ich war dafür zuständig die Gegenspieler zu entnerven. Mit erbarmungsloser Deckung auf der einen Seite und wilden Dreierwürfen und unkontrollierten Moves in die Zone. Ich musste mich, obwohl Aufbauspieler, weiterhin in jeden Rebound schmeißen und dem gegenerischen Team damit klar machen, dass wir keine Angst haben. Das führte an guten Tagen dazu, dass alle vor mir Angst hatten, an schlechten, dass ich ab Minute 5 mit drei Fouls belastet war.

Knopper sorgte durch betonte Gleichgültigkeit zu Beginn immer dafür, dass keiner ihn ernst nahm. Wenn es seiner Laune entsprach, explodierte er dann kurz und warf ein Korb nach dem anderen. In der Defensive verwirrte er Gegenspieler mit unerschöpflichen Repertoire an Gemeinheiten. Ich erinnere sehr gerne an die Diskussion, die er mit einem flegelhaften Potsdamer Flügelspieler führe. Der Herr hatte auf unseren Hallenfußboden gerotzt. Knopper erklärte ihm über mehrere Angriffe seines Teams geduldig aber mit der nötigen Strenge, dass er das bitte sauber machen solle und hielt ihn eine Zeitlang von der Teilnahme am Offensivspiel seiner Mannschaft ab. Ein weiteres bewährtes Hilfsmittel: Wenn er beim Tempogegenstoß als einziger gegen drei anfliegende Tüpen stand, ließ er seinen Kaugummi aus dem Mund fallen und rief kurz und ganz ernstgemeint “Stop”, schirmte die Stelle ab uns suchte das Leckerli. Erstaunlich, welche Fehler in solchen Situationen der Überraschung vom Gegner produziert wurden.

Gazza war Geheimwaffe, Motivationsguru und Scharfschütze. Da Potsdam eine kleine Stadt ist und das Umland auch nicht besonders groß, waren wir irgendwann in der Liga bekannt. Gazza wurde immer unterschätzt bis abschätzig vom Gegner verspottet. Das lag unter anderem daran, dass er sich nicht an die damals angesagten Streetball-Klischees hielt, sondern lieber wirklich nachlas mit welchen asiatischen Künsten Phil Jackson die Bulls zu ihren Titeln führte und gerne deswegen auch vor dem Spiel meditierte. Außerdem war er nicht besonders schnell und sah auch nicht gefährlich aus. Es bewährte sich deshalb in besonderen Situationen den arrogantesten Gegenspieler von Gazza in Manndeckung nehmen zu lassen. Egal ob der 2 Meter groß war oder die 100 Meter unter 12 Sekunden lief. Der Kollegen dachte über diese Herabschätzung unsererseits dann meistens die 40 Minuten, die ein Spiel dauert, nach und war somit intellektuell so beschäftig, dass er seine sportliche Leistung nicht abrufen konnte und Gazza konnte ein Wurf nach dem anderen ins Ziel bringen. Sollte man auch mal im Proffifußball probieren.

Es ist natürlich illusorisch zu glauben, dass man so viele Spiele gewinnt. Wir schafften es aber so immerhin, oft genug den Ball zu unserem Topscorer zu spielen, der dann auch die Torjägerkanone (wie heißt das eigentlich im Basketball?) gewann, warfen immer mal Dreier und versenkten die Fast-Breaks. Damit kamen wir zum Ende der Saison auf eine positive Sieg-Niederlagen Bilanz und schlossen mit einem respektablen dritten Platz ab.

Fürs folgende Jahr sollten wir laut Satzung des Brandenburgischen Basketballverbandes mindestens eine Jugendmannschaft sowie einen Schiedsrichter stellen. Außerdem ging Thomas nach Amerika zum Auslandsjahr (er trug dann im HighSchoolTeam in Erinnerung an uns die 42) so dass wir uns außerstande sahen die kommenden organisatorischen und sportlichen Herausforderungen zu meistern. Wir meldeten uns also ehrenhaft wieder vom Spielbetrieb ab und lösten den Verein auf. Dabei kam uns zu Gute, dass die Eintragung ins Vereinsregister sowieso nicht klappte. Ich hatte die Bemerkungen des zuständigen Amtsgerichtes schlicht und ergreifend nicht verstanden uns es in 5 Schreiben verteilt über ein Jahr nicht hinbekommen den einen Satz so zu formulieren, dass man das OK fand.

Knopper und ich versuchten es dann in der Mannschaft des USV Potsdam, unseres ehemaligen Konkurrenten. Aber erstens gab es da wieder Erwärmung und zweitens jede Menge Spielzüge, die nicht funktionierten, für uns aber bedeuteten, dass wir als Flügelspieler, sofort den Ball wieder zum Aufbauspieler zurückpassen sollten. Wir saßen auch oft auf der Bank und warteten dann, dass wir reinkamen und wieder dem Aufbauspieler die Bälle zupassen konnten. Ein schönes Spiel gab es nochmal, als man uns nach aussichtslosem Rückstand zur Halbzeit, mal eine Weile durchspielen ließ und wir nochmal wie gewohnt, machen konnten was wir wollten. Wir gewannen zwar nicht mehr, hatten aber nochmal Spaß und kamen bis auf 10 Punkte wieder ran.

Als die tonangebenden Männeken in der Trainingsgruppe dann anfingen in der Turnhalle nur noch englisch zu reden und auch so immer verspannter wurden, beendete ich meine Basketballkarriere. Der Realismus, mit meinem Fähigkeiten nicht in die NBA vorzustoßen, war immer da, warum sollten wir uns also so benehmen? Sportlicher Ehrgeiz hat ja schließlich nichts mit Attitüde zu tun sondern in meinem Fall meistens mit einem Ball und einen Ort, wo man den hintun soll. In diesem Sinne sollte ich eigentlich mal wieder eine Hallenzeit organisieren und einen roten Ball in ein Netz werfen. Mal schauen, ob ich überhaupt noch an den Ring komme. In meinen besten Zeiten hab ich immerhin mit Volleyball ‘nen Dunking geschafft. Und das mit 1,79.

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